Enrichment, ENS (Early Neurological Stimulation). Das sind zwei Begriffe, die jedem Züchter zumindest in Grundzügen bekannt sein sollten.
Enrichment
Ich sehe immer häufiger, wie Züchter in den sozialen Medien versuchen, sich mit ihren Setups/Playpens für Welpen zu übertreffen.
Gestern hat es mir dann die Sicherung rausgehauen und schon sitze ich mal wieder hier und muss es mir aus den Fingern tippen, da ich gedanklich wild mit den Armen fuchtele.
Da sitzt ein Einzelwelpe in einem Auslauf, ca. 80 x 200cm.
In diesem Auslauf sind drei Löseplätze (in einem ein Spielzeug, in einem anderen ein Kinderhocker?) mit Pellets hintereinander aufgebaut und nehmen ca. 45 x150cm der Gesamtfläche ein.
Auf dem Rest ist ein Mobile 50 x50cm aufgebaut. Es bleiben also noch ca. 50x 200cm freier Raum für den Welpen. Komplett ausgelegt mit Textilien und zusätzlich zwei Hundebettchen.
Dazu ein kleiner Stofftunnel, ca 100cm lang, 3 Taktil-Matten, zwei Fitbones und einem Hartschaumblock.
Und der Rest ist mit sage und schreibe 17 Spielzeugen dekoriert.
Der Welpe hat keine 50cm am Stück zum Geradeauslaufen.
Nochmal, hier wohnt ein Einzelwelpe - ohne Geschwister!
Es mag auf den ersten Blick für den Menschen nett aussehen. Hübsch bunt und soooo viel zum Spielen.
Nur leider ist das so ein Overkill, dass der Welpe denn auch auf dem Foto ohne Aktion auf einem freien Fleckchen liegt. Nein, der hat sich nicht müdegespielt, das Setup ist komplett frisch hergerichtet.
„Das ist wie im Himmel“ und ähnliche Kommentare unter dem Foto.
So, stellt sich der Welpe so wohl die absolute Glückseligkeit vor?
Ich glaube, deutlich weniger, aber wechselnde und unterschiedliche Spielzeuge, vor allem aber, soziale Interaktion, machen den Welpen deutlich glücklicher.
Manchmal lohnt sich ein Vergleich mit Menschenkindern doch.
„Geh doch in dein Zimmer spielen, ich habe doch den ganzen Spielzeugladen für dich leergekauft. Und mach bitte die Tür zu!“
„Ja Mama, aber allein ist das so langweilig und ich habe gar keinen Platz mehr zum spielen und laufen.“
„Du bist aber auch undankbar, andere Kinder wären neidisch … Jetzt geh schon in dein Zimmer und sei glücklich.“
Jemand der am Flughafen wohnt wird nicht mehr fasziniert von startenden und landenden Flugzeugen sein, ein Eichhörnchen staunt nicht über Bäume, ein Fisch nicht über Wasser.
Ein anderes mal mehr dazu, wie das bei uns aussieht und was meine Schwerpunkte während der Aufzucht sind …
ENS/Frühförderung
Da werden Welpen fünfmal am Tag um die eigene Achse gedreht, hoch, runter, links, rechts, kalt, warm, gekitzelt, gepiekst etc..
Also meine Welpen pieksen sich in den ersten Tagen schon gegenseitig mit den Krallen wenn sie sich ihre Wege zu den Zitzen bahnen.
Sie werden zweimal am Tag gewogen, dafür „fliegen“ sie in meiner Hand aus der Wurfkiste zur kühlen, harten Waage. Es wird kontrolliert, ob die Bäuche weich sind, ob sie sauber sind, ob die Krallen in Ordnung sind etc..
Sie liegen zweimal am Tag ausserhalb der warmen Wurfkiste, wenn ich selbige säubere und sie wieder abtrocknet.
Der Geruch der Unterlage ist mindestens zweimal am Tag frisch.
Und natürlich habe ich die Welpen auf dem Schoß, in der Hand, auf der Brust liegen und kraule sie.
Ich für mich brauche kein ENS und ich denke nicht, dass meine Welpen sich hiermit besser entwickeln würden.
Es wird auch dringend darauf hingewiesen, die ENS NICHT auszuweiten und sich unbedingt an die 2-3 Sekunden jeweilige Stimulation zu halten.
Mehr ist nicht gleich besser!
Und ich bin mir auch nicht sicher, unter welchen Umständen die ersten Studien dazu getätigt wurden. Hatten die untersuchten Welpen eine normale Hausaufzucht und waren der einzige Wurf des Züchters zu der Zeit oder waren es mehrere Würfe in einem Versuchsaufbau gleichzeitig, wo natürlich eine geplante Stimulation deutlich sinnvoll ist, wenn kein natürlicher und häufiger Umgang eines begeisterten Züchters gegeben ist.
Das Super Dog-Programm ist jedenfalls nicht vergleichbar mit der hier üblichen Hausaufzucht.
Aus der ENS Dinge für seine eigenen Bedürfnisse abzuleiten finde ich super.
Stimulation minutiös nach Plan abzuarbeiten finde ich fürchterlich.
Mir wäre lieb, man würde auf Hirn und Herz hören. Und ich bin sicher, den Hunden wäre das auch lieber.
Und in dem Zusammenhang noch ein paar wichtige Worte zur Wurfkiste …
Der Trend geht zu großen Wurfkisten. Am besten passt der Züchter noch mit hinein (züchtet man Doggen, ist das halt auch so ).
Das sieht auf Fotos auch so nett aus, wenn der Züchter zwischen den Welpen in der Wurfkiste sitzt.
Meine Wurfkisten sind je nach Hunderasse immer eher knapp bemessen gewesen. Die Hündin soll sich in alle Richtungen ausstrecken können, puls 10-15cm und damit ist die Größe bemessen.
Die Welpen müssen fähig sein, das deutlich erwärmte Gesäuge der Hündin schnell wahrzunehmen und sollen in den ersten Tagen nicht ihre Energie durch ewiges Rumsuchen verlieren.
Das bedingt eine angemessene Größe und einen Temperaturunterschied von Hündin zu Umgebungstemperatur.
Und, Ironie, auf jeden Fall muss Rotlicht drüber, damit die Welpen es warm haben. Egal ob Sommer oder Winter. Rotlicht vermittelt offensichtlich den Eindruck von besonderer Fürsorge.
Man wundert sich zwar, warum die Hündin keine Lust hat in der Wurfkiste zu liegen, aber die Welpen haben ja noch keine eigene Thermoregulation.
Nein, aber sie haben eine Mutter, die ihnen das „funktionelle U“ bietet, sprich, sich seitlich hinlegt und den Welpen zwischen Vorder- und Hinterbeinen am warmen Gesäuge einen Platz anbietet.
So verlieren die Welpen die wenigste Energie, die sie dringend für Wachstum und Entwicklung brauchen.
Dadurch, dass die Welpen bei niedrigerer Temperatur zusammenliegen, wird a), das taktile Wahrnehmen/Kontaktliegen gefördert und vor allem geboten, und b), die Gefahr, dass die Mutter unruhig wird, weil die Welpen verteilt liegen, oder sogar beim Reinspringen in die Wurfkiste auf einen Welpen tritt, ist ebenfalls deutlich minimiert.
Es ist kein Wunder, dass viele Hündinnen auch heute noch im Garten lieber eigene Wurfhöhlen buddeln, als die vom Züchter gebotene Wurfkiste vorzuziehen.
Und ich sah keine Hündin ein Penthouse buddeln, sondern eine an ihre Größe eng angepasste Höhle/Senke. Nichtmal meine zugestandenen 10-15cm plus wurden berücksichtigt …
Und wenn die Wurfkiste dann wirklich zu klein wird, ist ohnehin der Zeitpunkt erreicht, an dem sie geöffnet werden sollte. Es ist eigentlich ganz logisch und einfach, wenn man darüber nachdenkt und sich nicht von bunten Bildchen leiten lässt.